Herausforderungen und Chancen von KI in China
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Sicherheit durch Überwachung: Ein CEO über die Herausforderungen und Chancen von KI in China
Während einige Chinas intensive Videoüberwachung als eine Verwirklichung von George Orwells düsterer Zukunftsvision in „1984“ betrachten, argumentieren andere, dass China ein sicherer Ort sei, da aufgrund dieser Maßnahmen Verbrechen schnell aufgedeckt würden.
Auch mich beschäftigt die Frage, welchen Nutzen und Schaden der Einsatz künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung in China mit sich bringt. In diesem Blogbeitrag berichte ich dir von meinen Erfahrungen und Beobachtungen auf meiner Reise nach China.
Reisevorbereitungen mit Hürden
Zur Reisevorbereitung reaktiviere ich mein WeChat Konto. Das stellt sich aufwendiger heraus, als ich vermutet hätte. Erst nach wiederholten Versuchen und einigen Stunden Aufwand gelingt es mit Hilfe eines WeChat-Freunds aus Taiwan, mein WeChat-Konto wieder zu reaktivieren.
Damit geht die Einrichtung des WeChat-Bezahldienstes Weixin-Pay automatisch einher. Dieses konnte nach Einscannen meines Reisepasses und einer Fotofreigabe mittels Handykamera mit meiner Mastercard verbunden werden. Ich dachte mir: Nun können die öffentlichen Behörden meine Zahlaktivitäten bei Interesse durchgehend verfolgen.
Meine Erfahrungen mit digitalen Zahlungssystemen in China
Allerdings funktionierte die WeChat Bezahlung in China dann nicht und auch bei der Alternative Alipay gelang es nicht, meine Kreditkarten zu verifizieren. Allerdings traf ich Deutsche, die mit Alipay Erfolg hatten. Meine Kommunikationsversuche mit meinen Kreditkartenabwicklern änderten da nichts.
Zu meiner Erleichterung merkte ich, dass Bargeld meist doch akzeptiert wird und dass ich online den Highspeed-Zug von Beijing nach Shanghai mit ausländischer Kreditkarte zahlen konnte. Aber die Einheimischen zahlen alles mit dem Telefon.
Politische Stimmungen in China
In persönlicher Interaktion erwiesen sich meine chinesischen Gesprächspartner auch regierungskritisch. Solange gesprochen und nicht digital geschrieben wird, sind sie entspannt. Ich begegnete hauptsächlich pragmatischer Haltung.
Transaktionsanalytisch gesehen werden sie zwar durch die Behördenüberwachung wie Kinder behandelt. Sie machen sich allerdings nicht viel draus, solange sie sich sicher fühlen und ihren wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen können. Meine aktuelle Sichtweise dazu: Der Trend zur persönlichen Überwachung wird trotz Regulierungsversuchen nicht nur in China weitergehen. Es kommen jedes Jahr mehr Kameras zum Einsatz:
- Viele installierte Kameras von öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen und Hausbesitzern.
- Dazu gibt es weltweit Milliarden Handykameras und Big Data Analyse Möglichkeiten, die einen Großteil unseres Lebens überwachen können.
Die Macht der Überwachung: KI, Widerstand und politische Stabilität
Ob in Demokratien, Autokratien oder hybriden Systemen – die politischen Machthaber haben Instrumente in der Hand, die sie wohlwollend oder machterhaltend einsetzen können. Meist ist es eine Kombination. Am problematischsten erscheint mir dabei, dass potenzieller Widerstand im Keim erstickt werden kann. Je wohlwollender ein Herrschaftssystem agiert, desto weniger Widerstand wird es geben.
Mittels KI kann sich eine autokratische Regierung fast bis zur Unangreifbarkeit absichern. Allerdings hat die Geschichte bewiesen, dass viel Macht korrumpiert. Je größer Macht- und Einkommensunterschiede ausfallen, desto stärker wird auch der Widerstand.
KI in verschiedenen Führungssystemen
Selbst die mächtigsten Autokraten werden älter und Jüngere übernehmen ihre Positionen. Diese Veränderungen gehen häufig mit Machtkämpfen und somit einer zumindest vorübergehenden Destabilisierung einher. KI ist ein neuer und bedeutender Aspekt im Führungssystem, aber nicht der einzig relevante. Andere Aspekte sind z.B.:
- Kollektive Nutzenmaximierung und Leidensminimierung für alle relevanten Stakeholder inkl. Minderheiten. Wenn ein autoritäres oder demokratisches Regime hierzu nachhaltig gute Ergebnisseerzielt, hat es bessere Chancen, im Amt zu bleiben.
- Intelligenz und Bildung der Führenden und der Geführten
- Glaubenssätze der Führenden und Geführten (z.B. „nur das Kollektiv zählt“ oder „bei uns ist es sicherer“)
- Das Rechts- und Exekutivsystem
- Anreizsysteme und Schichtung der Gesellschaft
Ich wollte meine Chinareise außerdem nutzen, um vor allem zu folgenden 2 Fragen meine Sichtweise weiterzuentwickeln:
1. Ist Demokratie immer die beste Regierungsform?
Ich bleibe Befürworter der Demokratie und gleichzeitig bei der Ansicht, dass teilweise intelligente, wohlwollende Autokraten bessere Ergebnisse erzielen können als schlechte demokratisch legitimierte Regierungen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden in China erstaunliche Resultate z.B. in Bezug auf Wohlstand, Innovation und Sicherheit erzielt.
Meine Jugend-Überzeugung, dass demokratische Systeme autokratischen ökonomisch überlegen sind, wird durch China’s Einparteiensystem mittlerweile schon sehr lange in Frage gestellt. Im Durchschnitt kommen aber in Demokratien intelligente und wohlwollende Parteien häufiger in die Regierung. Vor allem können problematische Fehlentwicklungen leichter und rascher verhindert werden.
2. Welchen Nutzen und Schaden bringen die neuen Überwachungsmöglichkeiten durch KI?
Es ist für mich befremdlich, Kameras sogar auf Waldwegen in den Wudangbergen zu sehen. Gleichzeitig habe ich mich in der Nacht in Millionenstädten selten so sicher gefühlt wie in China. Neben der Sicherheit ist auch die Effizienz ein starkes Argument für biometrische Erkennungsmethoden.
Ich habe mich schon seit Jahren an den Gedanken gewöhnt, dass wir auf eine transparente Welt zusteuern. Dafür sorgen wir schon selbst mit unseren Smartphones, Applewatches etc. Wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der die individuelle Freiheit und Einzigartigkeit innerhalb der Schadensgrenzen anderer akzeptiert wird, ist Transparenz für mich wenig bedrohlich.
Aber damit kommen wir zur Frage 1 zurück: Wenn meine Daten von Regierungsbehörden für Zwecke des Machterhalts oder für die Exekution ideologischer -ismen verwendet werden, dann ist es vielleicht schon zu spät.
Regulierung mit Augenmaß
Leider wissen wir, dass auch liberale Demokratien zu Diktaturen werden können. Gerade in den letzten Jahren gab es bedrohliche Entwicklungen in verschiedensten westlichen Ländern, wo mit Gewalt oder Manipulation versucht wurde, Demokratien zu schwächen.
Und wir haben auch gesehen, wie schnell Länder in Kriege verwickelt waren. Daher halte ich Regulierung mit Augenmaß für nötig, insbesondere was die Verwendung und Speicherung von erfassten Daten anbelangt.
Ein Fazit meiner Lernreise
Es ging mir bei dieser Lernreise nicht um ein Beurteilen im Sinne von richtig und falsch, sondern darum, dass Entwicklungen im Kontext der Geschichte, Kultur, Bevölkerungsdichte, Religion etc. interpretiert werden sollten.
Eine letzte Inspiration eines Führungsergebnisses, die ich mitgenommen habe: China zeigt, dass die Umstellung auf e-mobilität und attraktive öffentliche Verkehrsmittel möglich ist. Warum fahren wir mit Verbrennern wieder in die andere Richtung?
Autor - Mag. Gunther Fürstberger
CEO | MDI Management Development International
Gunther Fürstberger ist Management-Trainer, Buchautor und CEO von Metaforum und MDI – einem globalen Beratungsunternehmen, das Lösungen für die Entwicklung von Führungskräften anbietet. Sein Hauptinteresse ist es, die Welt durch gute Führung zu einem besseren Ort zu machen. Er arbeitete für Kunden wie ABB, Abbvie, Boehringer Ingelheim, DHL, Hornbach, PWC und Swarovski. Seine Kernkompetenz ist die Führung in der digitalen Transformation. Eigene Führungserfahrung sammelte er u.a. als HR-Manager von McDonald’s Zentraleuropa/Zentralasien. Im Alter von 20 Jahren begann er als Trainer zu arbeiten.