Was bedeutet es, als internationaler Führungs- und Entwicklungsexperte tätig zu sein? Was sind die größten Herausforderungen in unserer schnelllebigen und sich schnell verändernden Arbeitswelt? Heute gibt uns Marcin Swierkocki, Business Consultant in Polen, Einblicke in international Führungskräfteentwicklung und gibt uns interessante Antworten auf diese und weitere Fragen.
Über den Interviewpartner
Marcin Swierkocki arbeitet als HR Business Consultant, der sich auf L&D, Change- und Projektmanagement spezialisiert hat. Er bringt über 25 Jahre internationale Erfahrung in Changemanagement und Organisationsentwicklung mit sich. Sein persönliches Motto ist inspiriert von Viktor Frankl: „Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. in diesem Raum liegt die Kraft, unsere Antwort zu wählen. In unserer Antwort liegt Wachstum…“. Seine persönliche Inspiration holt er sich aus seiner positiven, optimistischen Art und durch die Energie, die er durch den erfolgreichen Support anderer Menschen bekommt.
Deiner Meinung und Erfahrung nach: Was sind momentan die größten Herausforderungen für polnische Organisationen beim Thema Führung und wie werden sie gelöst?
Die größten Herausforderungen hängen mit zwei Themen zusammen: Auf der einen Seite steigende Lohnkosten, die von der Regierung reguliert werden und mit denen ein Mangel an qualifizierten Experten einhergeht, und die Anstellung von ausländischen Arbeitskräften, wie beispielsweise aus der Ukraine oder anderen südöstlichen Ländern, um die Produktionsaufträge erfüllen zu können. Auf der anderen Seite stehen ManagerInnen vor der Herausforderung, kleine Unternehmen in mittelgroße umzuwandeln. Dazu braucht es ein anderes Mindset und neue Kernkompetenzen das Management betreffend.
Wie sehen, Deiner Meinung nach, polnische Unternehmen derzeit Führungskräfteentwicklung und wie denkst du wird sich dieses Bild in der Zukunft entwickeln?
Manche Unternehmen, besonders die im IT-Sektor, sind offen für neue Trends wie Teal Management. Außerdem besteht gerade das Bedürfnis, verteilte Teams (durch die Reichweite von Projekten, Home-Office, globale Projekte, etc.) gut managen zu können. Wenn ManagerInnen es schaffen, das oben genannte umzusetzen, dann ist ihr Weltbild offen, tolerant und sie erwarten eine Partnerschaft und nehmen auch Rücksicht auf die Work-Life Balance ihrer MitarbeiterInnen.
Du arbeitest seit vielen Jahren als internationaler Trainer und Coach. Gibt es, Deiner Erfahrung nach, Unterschiede zwischen Führungskräfteentwicklung in Polen und anderen Ländern/Kontinenten?
Ja, die gibt es. Meiner Meinung nach hängt die Art der Führung und den Stil, den jemand verwendet, vom Unternehmensumfeld, staatlichen Regulatorien, Marktreife und persönlichen Charakterzügen ab. Ich nehme den westlichen Führungsstil als klarer, geradliniger, aber auch strenger und vorhersagbarer für die gemanagten Menschen, wahr. Aus der Sicht von MitarbeiterInnen gibt ihnen das eine Sicherheit, die es bei lokal gemanagten Unternehmen manchmal nicht gibt, bei denen das Toolset einer Führungskraft auf den bevorzugten Führungsstil der Führungskraft beschränkt ist und wo es oftmals auch an Vorhersagbarkeit fehlt, was sich bei den MitarbeiterInnen in einem Mangel an Sicherheit und Involvement am Arbeitsplatz niederschlägt.
Wie wir alle wissen, spielt bei internationaler Führungskräfteentwicklung interkulturelles Bewusstsein und Empathie eine große Rolle. Was würdest Du TrainerInnen empfehlen, die Führungskräfteentwicklungsprogramme in Polen planen und worauf sollten sie besonders Acht geben?
Seien Sie offen anderen und ihren Ideen gegenüber und wechseln Sie von Micro-Management von Aufgaben hin dazu, andere zu führen, damit sie in ihren Aufgaben auch wachsen können.
Was war der herausforderndste Moment, den Du bisher in einem internationalen Training erlebt hast?
Nachdem ich in den USA aufgewachsen bin, finde ich, dass die lokale Umgebung hier in Polen generell sehr herausfordernd ist. Sturheit von ManagerInnen und die „Ich weiß alles“-Art zu kommunizieren, irritiert mich. Diese Eigenschaften sollten sich ändern, aber in einigen Menschen scheinen sie so tief verwurzelt zu sein, dass sie nicht wandelbar wirken. Aber mit dem richtigen Coach und etwas Zeit um daran zu arbeiten gibt es auch hier Hoffnung auf eine bleibende Veränderung. 😉
Ich konnte dem aber durchaus Gefallen abringen, da ich ja international arbeite und offen für neue Situationen bin. Ich sehe durchaus Unterschiede im Arbeiten mit unterschiedlichen Nationen. ManagerInnen aus Frankreich sind anders als die in Dänemark und sogar hier in der DACH Region nehme ich Unterschiede zwischen österreichischen, deutschen und schweizerischen Managerinnen wahr. Das Gute ist, je mehr interkulturelle Erfahrung man sammelt, desto offener wird man anderen gegenüber und das ist meiner Meinung nach eines der Attribute, die einen selbst erfolgreich im Umgang mit Menschen macht.
Auf einem internationalen Level zu arbeiten geht oft mit der Herausforderung der interkulturellen Kommunikation einher. Wie gehst Du als Experte damit um und wie bereitest Du Dich darauf vor, mit TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Ländern zu arbeiten?
Die meisten Projekte werden in Englisch durchgeführt, also gibt es hier keine wirklichen Probleme. Außerdem, wie in jedem anderen Projekt auch, wird der Erfolg von ordentlicher Vorbereitung bestimmt. Dazu gehört für mich dann auch die Unternehmenskultur zu verstehen, die Organisation als Ganzes, die Menschen (Lücken in ihren Skills oder Fähigkeiten, die erst entwickelt werden müssen) and die angewendeten Systeme. Das kann durch Interviews als auch durch TNA Fragebögen (Training Needs Assessment) erreicht werden.
Nachdem wir in einer stark digitalisierten Welt leben und Digitalisierung fast jeden Bereich unseres Lebens betrifft: Wie stehst Du zu klassischen Face-to-Face Trainings? Werden sie verschwinden oder so oder in einer anderen Form weiterbestehen?
F2F Workshops werden auch weiterhin bestehen, denn besonders was soziale Skills angeht, sind sie einfach unersetzlich. Die digitalisierte Welt ist ein Trend und hat ihre Vorteile, spart oftmals Zeit ein, ist leicht erreichbar und eignet sich gut für technische Trainings, bei denen man das benötigte Wissen leicht übermitteln kann. Richtig sicherstellen kann man das weitergegebene Wissen dann im „Klassenzimmer“, zum Beispiel bei Rollenspielen.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung generell auf die Führungskräfteentwicklungsbranche? Welche Effekte der digitalen Transformation hast du bisher mitbekommen?
Heutzutage ist viel Wissen kostenlos, was bedeutet, dass TeilnehmerInnen bereits vor einem Training viel wissen. Das ist gut, aber leicht erreichbare Informationen bedeuten nicht, dass man auch die richtigen Dinge liest oder lernt. Es gibt überall sogenannte Gurus, die leider nicht glaubwürdig sind.
F2F Trainings sind nicht mehr an drei aufeinanderfolgenden Tagen, sondern eher zwei- oder eintägige Sessions, die sich auf Praxisbezug fokussieren.
Was wird, Deiner Meinung nach, in den nächsten 5 bis 10 Jahren die größte Herausforderung in der Training & Development Branche sein?
Da ich in Polen lebe, kann ich mich nur auf das beziehen, das ich hier sehe. Die polnische T&D Branche sollte auf jeden Fall dabei bleiben, sich weiterzuentwickeln. L&D wird greifbarer und auch KMUs werden davon immer mehr angezogen, nicht mehr nur die großen, globalen Player. Wenn die Budgets dabei realistisch bleiben, bin ich nicht nur optimistisch, sondern regelrecht enthusiastisch, was die Zukunft anbelangt.
Vielen Dank Marcin für diese spannenden Einblicke 🙂 Happy Development!