Das Homeoffice beschleunigt den Gesamttrend von hierarchischer zu lateraler Führung. Die Architektur und Nutzung von Bürogebäuden haben eine Wirkung auf die dort arbeitenden Menschen. Zuerst kennzeichnete das Stockwerk im Büroturm die Bedeutung bestimmter Abteilungen und Funktionen. Danach kamen die Großraumbüros mit viel horizontaler Fläche: Hier sagt die Nähe/Distanz des Arbeitsplatzes zum Zentrum der Macht etwas über die Bedeutung der Funktion aus.
In agilen Desksharing-Zonenkonzepten hat durch die Sitzplatzwahlmöglichkeit die implizit ausgedrückte Hierarchie weiter an Bedeutung verloren und im Gegenzug Selbstabstimmung Raum gewonnen. Mit dem Homeoffice haben sich die Arbeitsplätze dem World Wide Web angepasst. Außer vielleicht noch an der Geschwindigkeit des Internetzugangs und einer guten Hardware gibt es kaum mehr Unterscheidungsmerkmale, an denen eine Hackordnung erkannt werden könnte.
Aber was ändert sich konkret in der lateralen Führung durch online Zusammenarbeit?
Über den Autor
Mag. Gunther Fürstberger ist Geschäftsführer von MDI Management Development International und widmet sich bereits seit mehr als 20 Jahren dem Thema Führung und Entwicklung als Trainer, Coach und Berater für Großunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Laterale Führung ist dabei sein Spezialgebiet.
Die Online-Zusammenarbeit hat nochmals zur Begegnung auf Augenhöhe beigetragen: Die Kleiderordnung wurde lockerer, die nicht immer ausgeblendeten Hintergründe verraten mehr vom Privatleben, manchmal huschen Kinder oder Haustiere durchs Bild und jede Kollegin unabhängig von Gehalt und Position ist nun nur noch einen Klick entfernt.
Dann gibt es aufgrund von Covid-Maßnahmen oft auch noch mehr oder weniger zufällige Einteilungen in 2 Gruppen, wovon eine sich jede 2. Woche auch persönlich im Büro trifft, Kolleginnen und MitarbeiterInnen aus der anderen Gruppe aber über lange Zeit nur virtuell begegnet wird.
Die Gefüge der „Heiligen Führung/Ordnung“ (= Hierarchie aus dem Altgriechischen übersetzt) gerät noch mehr ins Wanken und die Fähigkeit in komplexeren Netzwerkstrukturen zusammenzuarbeiten wird erfolgsentscheidender. Führung auf Augenhöhe gewint an Bedeutung!
Was konkret ändert sich in der lateralen Führung durch online Zusammenarbeit?
Um als laterale Führungskraft Erfolg zu haben, braucht es Antworten auf 3 Fragen:
1. Was genau ist mein Anliegen?
2. Wer ist für dieses Anliegen relevant?
3. Wie kann ich das Commitment dieser Mitspieler gewinnen?
Unterschiede aufgrund von virtueller Zusammenarbeit gibt es vor allem im Bereich Commitment gewinnen. Mitarbeiter tendieren laut Prof. Maggie Neal von Stanford dazu, sich in Online Meetings mehr zurückzuhalten, um Teamausschluss zu verhindern. Die ständige Aufzeichnungsmöglichkeit macht Menschen vorsichtiger. Es gibt weniger Gelegenheit für informellen Austausch. MitarbeiterInnen sprechen lieber über gemeinsame Sichtweisen und tragen Konflikte weniger gerne aus. Darüber hinaus verbreitet sich Zoom Fatigue: Viele haben die dauernden Online-Meetings satt und fühlen sich teilweise auch sozial isoliert.
Was kann die laterale Führungskraft also machen?
1. Vertrauen auf und ausbauen
- Z.B. online Meetings damit starten, sich für die anderen als Menschen zu interessieren, bevor es zur Agenda geht
- falls nicht ohnehin selbstverständlich, mit Video arbeiten, um den emotionalen Ausdruck besser wahrnehmen zu können
- wenn möglich, die Gelegenheit für persönliche Treffen, zu nutzen. Ein Spaziergang zu zweit birgt wenig Covid-Risiko und schafft informelle Austauschmöglichkeit.
2. Sich bemühen, die Beweggründe und Interessen der MitarbeiterInnen zu verstehen und die eigenen Absichten und Hintergrundüberlegungen zu teilen.
In Einzelgesprächen sind Menschen eher bereit, über ihre Beweggründe, Befürchtungen und Hoffnungen zu sprechen. Gerade in der weniger kontrollierbaren online Zusammenarbeit spielt intrinsische Motivation eine größere Rolle. Diese intrinsische Motivation ist erreichbar, wenn sich die Interessen des Mitarbeiters mit dem Anliegen der lateralen Führungskraft verbinden. Wenn beide Seiten dafür brennen, ihre Welt etwas besser zu machen, dann braucht es kaum Energie von außen.
3. Gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu finden, die Nutzen für alle Beteiligten bringen
Hier geht es um Kreativität und eine Win-Win-Haltung. Partnerschaftliches Win-Win erzeugt echtes Commitment. Auch online gibt es tolle Kreativitätsmethoden: z.B. virtuelle Whiteboards, die für Brainstorming verwendet werden können oder Moderationssoftware wie z.B. Teamretro, die Brainwriting mittels Kärtchen, Clustern und gemeinsame Priorisierungen ermöglicht.