Alexander Rehm arbeitet seit vielen Jahren als Executive Coach und Leadership Experte. Der gebürtige Münchner hat lange Zeit in Italien gelebt und ist aktuell in der Schweiz wohnhaft. Er ist als Coach in beiden Ländern tätig und bekommt die kulturellen Unterschiede hautnah mit. Wir haben mit ihm über seine Arbeit als Executive Coach, die Aufgabe von Führungskräften im digitalen Wandel und der Zukunft von Face 2 Face Coachings gesprochen.

 

Du hast lange Zeit in Italien gelebt und bist dort auch noch heute als Coach tätig. Aktuell lebst du in der Schweiz. Hat sich deine Arbeit als Coach und die Ansprüche bzw. Erwartungen von Führungskräften an dich in den letzten Jahren geändert?

 

Alexander: Vor 20 Jahren war das Thema Coaching in Italien überhaupt kein Thema, im Gegenteil: wer einen Coach brauchte, war in den Augen der anderen „krank“. Italienische Unternehmen waren in der Regel sehr hierarchisch aufgebaut und wer es einmal an die Spitze geschafft hat, der war ziemlich resistent gegen jegliche „Beratung“ geschweige denn Coaching. Leider hat sich das in vielen Unternehmen bis heute kaum geändert. Ich stelle dabei fest, dass die meisten meiner heutigen Klienten aus Unternehmen kommen, die international aufgestellt sind und daher offensichtlich in einer anderen Führungskultur arbeiten. Der Auslöser zum Coaching besteht fast immer aus einem Feedback, sei es direkt durch den Vorgesetzten oder durch ein 360° Feedback. Insofern hat sich meine Arbeit kaum verändert, auch wenn die Erwartung an mich als Coach oft in Richtung Beratung geht. Manche Klienten sind richtiggehend enttäuscht, wenn ich ihnen sage, dass sie von mir keine Beratung bekommen, was sie alles besser machen können, sondern tatsächlich an sich arbeiten müssen, um eine gewünschte Veränderung auszulösen.

 

Wie sieht das in der Schweiz aus, welche Unterschiede nimmst du zwischen den beiden Ländern wahr?

 

Der größte Unterschied liegt meiner Meinung nach in der Einstellung. Coaching ist in der Schweiz ein vollkommen akzeptiertes Mittel zur Personalentwicklung. Schweizer Führungskräfte nehmen in meiner Wahrnehmung Weiterbildungsangebote aktiver an, als die Kollegen in Italien. Als Coach hat man weniger Erklärungsbedarf, aber die Themen sind meistens sehr ähnlich.

 

Eine ganz allgemeine Frage: Was sind deiner Meinung nach aktuell die größten Herausforderungen für Führungskräfte in Italien und der Schweiz?

 

Führung hat so viele unterschiedliche Aspekte, dass die Beantwortung dieser Frage ein ganzes Buch füllen könnte. Daher möchte ich meine Antwort auf ein Thema lenken und das ist das Führungsverständnis speziell im Kontext der Generationsunterschiede. Wir haben heute bis zu 3 unterschiedlich geprägte Altersgruppen / Generationen im Unternehmen. Führung die sich nur aus Hierarchie legitimiert ist passé. Gerade erst gestern hatte ich ein Gespräch mit einem Klienten, der mir erzählte, wie schwierig es wäre, einen guten Freund als Mitarbeiter zu haben. Auf meine Frage, warum er das so sehe, sagte er, dass er ihm alles erklären müsse und er sich unwohl fühle, ihm Anweisungen zu geben. Ich fragte ihn dann, warum er glaube, dass seine anderen Mitarbeiter gerne Anweisungen hätten. Ich glaube, da ist dann etwas mit ihm passiert…

Executive Coaching in Zeiten der Digitalisierung

 

Wir leben in einer VUCA-Welt und die Digitalisierung hat Einfluss auf viele Bereiche unseres Lebens. Wie muss man deiner Meinung nach als Führungskraft auf diese Veränderung reagieren? Ist das ein großes Thema bei dir in Coachings?

 

Was bringt die Digitalisierung mit sich? Wandel. Veränderungen bzw. die Angst davor oder gar die Verweigerung sich diesen zu stellen ist immer ein Kernthema im Coaching. Daher sehe ich hier keinen großen Unterschied zu einem Merger, einer Restrukturierung, einer Anpassung des Geschäftsmodells, etc. Was mir allerdings auffällt, ist das fehlende Verständnis, welche Chancen die Digitalisierung für die Unternehmen bietet. Es geht ja nicht (mehr) um die Ablösung der Schreibmaschine durch einen Computer, sondern das Einbinden aller digitalen Möglichkeiten in den Geschäftsablauf. Meiner Meinung nach, dürften hier viele interne aber auch externe Change Manager einen besseren Job machen.

 

Verwendest du bei deinen Coachings selbst viele digitale Tools und wie siehst du die Zukunft von Face 2 Face Coachings?

 

Meine Coachings sind immer ein Mix aus Face 2 Face Sessions und virtuellen kurzen Sequenzen. Oft geht es darum, den Klienten im Prozess zu halten, da sind Skype oder Zoom Calls ein ideales Werkzeug. Die vielen Angebote zum Thema Speed- oder Telefon-Coaching geben mir etwas zu denken, denn was uns Coaches ausmacht, ist doch die Fähigkeit zwischen den Zeilen zu hören – und das geht ohne Wahrnehmung der Körpersprache meiner Meinung nicht. Daher wird es meiner Meinung nach bei einem gesunden Mix aus digitalen und Face 2 Face Coachingsessions bleiben.

executive coaching zwischenmenschliche komponente

Auch wenn digitale Tools einen Mehrwert bei Coachings bieten können, Coaches müssen die Fähigkeit besitzen zwischen den Zeilen zu hören – und das geht ohne Wahrnehmung der Körpersprache nicht

Du hast lange Zeit im Vertrieb und Marketing im internationalen Umfeld gearbeitet. Was hat dich dazu gebracht in Richtung Personalentwicklung zu gehen und dich auf die Entwicklung von Führungskräften zu spezialisieren?

 

Irgendwann stellt sich jeder die Frage, ob es das gewesen sei und wofür es sich lohnt, jeden Tag aufzustehen. Meine Leidenschaft für die Entwicklung von Menschen konnte ich als Chef einer europäischen Organisation voller Energie ausleben. Die Resultate waren so ermutigend, dass ich mich – noch innerhalb des Konzerns – in Richtung Führungskräfteentwicklung umorientiert habe. Der Aufbau und die Führung der firmeninternen Academy haben mich nach vielen Jahren inspiriert, meine Mission als selbständiger Coach zu leben.

 

Wo siehst du in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen im Bereich Führungskräfteentwicklung? Einerseits für Coaches, andererseits für Führungskräfte selbst.

 

Führungskräfteentwicklung wird noch mehr in Richtung Persönlichkeitsentwicklung gehen (müssen). Business Schools wie IMD in Lausanne, oder INSEAD bei Paris haben das schon länger aufgegriffen und bieten in ihren Programmen einen guten Mix zwischen der Vermittlung von Management Wissen sowie Best Practice Beispielen  und intensiven Coaching Sequenzen an. In diesen Sequenzen werden z.B. die Ergebnisse eines 360° Feedback in kleinen Gruppen diskutiert, dem Coach kommt hier eine eher moderierende Rolle zu. Den Teilnehmern werden dabei Coaching Techniken anhand von aktuellen Praxisbeispielen vermittelt, die ihnen helfen, die Eigenwahrnehmung zu stärken. Ich glaube, dass wir alle – Führungskräfte und Coaches –  uns in Zukunft noch mehr durch Lernbereitschaft und Flexibilität auszeichnen werden müssen.

Unser Interviewpartner

Alexander Rehm executive coaching

Welche Themen im Coaching magst du besonders gerne?

Lebenskrisen, Führungsprobleme, fehlende  (Eigen) Motivation, Neuorientierung, Standortbestimmungen und schwierige Top Manager, die glauben alles zu wissen, aber doch spüren, dass etwas fehlt.

Was motiviert bzw. treibt dich in deinem Beruf?

Ich habe ein ausgeprägtes Bedürfnis mit Führungskräften zu arbeiten, ihnen zu helfen, Zugang zu den eigenen Themen zu finden und sie im Prozess zu halten, mögliche Lösungen nicht nur im Kopf durchzuspielen, sondern sie zu begleiten, wenn sie in die Handlung  kommen.

Hast du ein persönliches Motto/Slogan?

My mission is to support leaders finding their own purpose

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