Im zweiten Teil von Der Pate gibt es diese Szene, in der Michael weiß, dass seine Frau Kay eine Fehlgeburt hatte und in der er Tom fragt „War es ein Junge?“. Tom antwortet Michael nicht direkt. Michael wird wütend und schreit „Jetzt kannst du mir nicht einmal mehr eine direkte Antwort geben!“ Tom hat getan, was die meisten Chinesen tun, wenn um Kommunikation geht. Wir sprechen Dinge nicht direkt an oder aus, vor allem wenn es um schlechte Nachrichten geht oder wenn wir nicht einer Meinung sind mit Meinungen oder Vorschlägen von Mitmenschen.
Gastbeitrag
Dieser Artikel wurde von Fion Yip für unseren Blog verfasst*. Sie lebt aktuell in Shanghai und arbeitet als freiberufliche Trainerin für ein internationales Führungskräfteentwicklungs-Institut. Im Jahr 2013 hat sie sich einen Traum erfüllt und ihr eigenes Beratungsunternehmen gegründet, Y consultants. Sie ist außerdem Gast-Tutor in der Antai Economics & Management School of Shanghai Jiaotong University.
Selbst wenn wir NEIN sagen wollen, werden wir es niemals laut aussprechen. Wenn wir um unsere Meinung gefragt werden, äußern wir sie für gewöhnlich auf indirekte Art und nehmen an, dass wir vom Gegenüber verstanden werden.
Die Geschichte von Cao Cao
Während der Zeit der drei Reiche gab es einen mächtigen Kriegsherrn namens Cao Cao(曹操)der im frühen zweiten Jahrhundert große Teile von China unter seiner Herrschaft hatte. Er war als militärisches Genie bekannt aber auch als sehr misstrauische und grausame Person. Er hatte mehrere Söhne und obwohl die Tradition den ältesten Sohn als Nachfolger vorsah, überlegte er – wahrscheinlich weil er den jüngsten Sohn bevorzugte – wem er sein Reich vermachen sollte. Also befragte er den Ratgeber Jia Xu(贾诩), der als sehr intelligenter Berater angesehen war.
Nachdem er sich Cao’s Frage angehört hatte, sagte Jia Xiu gar nichts und schien tief in Gedanken versuchen. Cao Cao sagte „Ich habe dich etwas gefragt, warum bist du still?“. Und Jia sagte „Ich denke nur gerade an die Schicksale von Yuan Shao(袁绍)and Liu Biao (刘表).” Gleich im Moment der Antwort erkannte Cao Cao, was Jia Xu damit sagen wollte und lachte zufrieden. Jia hatte Cao Cao auf die möglichen tragischen Konsequenzen hingewiesen, die folgen könnten, wenn er nicht den ältesten Sohn als Nachfolger wählt. Und am Ende machte Cao Cao seinen ältesten Sohn Cao Pi(曹丕)zu seinem Nachfolger.
Jia Xu hat die Frage also nicht direkt beantwortet sondern stattdessen die zwei Kriegsherren Yuan Shao und Liu Biao benutzt, um seine Antwort anzudeuten und Cao Cao verstand sofort. Yuan und Liu hatten beide den Nachfolgerstatus ihrer ältesten Söhne aufgehoben was in beiden Fällen in blutigen Kriegen zwischen jüngstem und ältestem Sohn endete. In Yuan’s Fall war es sogar so, dass Cao Cao den Streit der Brüder ausgenutzt hatte, um Yuan’s Armee zu besiegen und somit die Kontrolle über das Land zu erlagen, das eigentliche Yuan Shao gehört hatte.
Eine typisch westliche Antwort wäre in diesem Fall gewesen “Ich denke Cao Pi ist die beste Wahl aus folgenden Gründen….” Aber Jia Xu wusste, dass er auf diese Weise nie antworten könnte. Er hätte sich damit selbst in große Schwierigkeiten bringen können. Cao Cao wäre vielleicht misstrauisch geworden und hätte eine Verschwörung zwischen Jia und dem ältesten Sohn Cao Pi vermutet. In der chinesischen Geschichte gibt es tausende solcher Beispiele.
Ein Beispiel aus der Praxis
Dieser indirekte Ansatz ist heute nach wie vor anzutreffen. Ich habe einmal einen Workshop für ein multinationales Unternehmen im Norden der Stadt China durchgeführt. Der Kunde hat ein Hotel für mich ausgesucht und gebucht, das aber nicht sehr schön war. Als ich das nächste Mal für diesen Kunden trainiert habe, habe ich ein Teammitglied, das bei der Hotelbuchung half, gefragt, ob sie denn wieder das gleiche Hotel gebucht würde. Ich habe ihr dazu eine Wechat Nachricht geschickt. Anstatt aber mit Ja oder Nein zu antworten, war die Gegenfrage, ob ich das Hotel denn nicht gemocht hätte. Ich habe ihr direkt geantwortet, dass es nicht besonders gut war. Sie sagte, wie würde andere Hotels prüfen. Ich fragte wiederum, ob ich nicht in einem nahen 5-Sterne-Hotel wohne könnte und war auch bereit, den Aufpreis selbst zu zahlen, da dieses Hotel teurer wäre. Sie sagte, dass sie schauen würde, ob es in ihrem Unternehmen spezielle Abläufe für solche Fälle gäbe. Am Ende hörte ich nie wieder von ihr, sie buchte aber ein anderes Hotel für mich. Ich war nicht überrascht und verstand, dass es die typische Art der chinesischen Kommunikation war. Natürlich gab es im Unternehmen keine definierten Abläufe für meinen Fall, sie wollte mir aber auch nicht sagen, dass das 5-Sterne-Hotel nicht okay ist.
Betrachtet man die ganze Sache, war nicht viel dabei. Es war nicht ihre Schuld, dass das Unternehmen meinen Vorschlag nicht akzeptieren wollte.
Der Punkt ist aber: Chinesen hassen es, NEIN zu sagen.
Die Sache mit dem “Gesicht”
Sie fragen sich vielleicht: Warum ist das so? Warum können sie es nicht einfach sagen, wenn die Antwort NEIN ist? Das ist die häufigste Frage, die ich von westlichen Führungskräften gehört habe, die mit chinesischen Partnern oder Mitarbeitern arbeiten. Die einfachste Antworte ist die Sache mit dem „Gesicht“. Wenn Chinesen zurückgewiesen werden, verlieren sie ihr Gesicht. Das wollen wir genauso wenig, wie dass andere Menschen ihr Gesicht verlieren.
Die beste Art und Weise, damit umzugehen ist, wenn möglich bei der betreffende Person nochmal persönlich zu fragen. Wenn man nochmal fragt, werden viele Chinesen eher eine richtige Antwort geben. Ansonsten muss man vielleicht sogar bereit sein, ein drittes Mal zu fragen.
Mr. Chen war Manager in einem großen Getränkeunternehmen in Shanghai. Eines Tages fragte ihn sein Chef, ein Europäer, ob er nicht in einer andere Stadt versetzt wolle um neue Karrierechancen wahrzunehmen. Mr. Chen wollte lieber in Shanghai bleiben, wollte seinen Boss aber nicht zurückweisen und sagte stattdessen, er wolle es sich überlegen. Na gut.
Eine Woche später dacht sich sein Boss, er würde noch immer überlegen, weil er noch nicht geantwortet hatte. Er wartete noch ein paar Tage und bat dann den HR-Leiter des Unternehmens darum, nachzufragen, wie die endgültige Entscheidung von Mr. Chen aussieht. Als der HR-Leiter bei Mr. Chen nachfragte, meinte dieser „Ich dachte er weiß, dass ich nicht gehen möchte, weil er nicht nochmal nachgefragt hat!“
Fazit
Gehen Sie nicht automatisch davon aus, dass Schweigen bedeutet, das Gegenüber würde noch überlegen, weil die Antwort vielleicht einfach NEIN ist. Als Führungskraft könnten Sie natürlich versuchen, Antworten zu erzwingen. Dazu müssen Sie aber wissen, dass Chinesen Menschen niemals in der Öffentlichkeit zurückweisen oder ihnen widersprechen.
Der Tipp ist also, bereit zu sein für ein zweites oder drittes Nachfragen unter vier Augen. Seien Sie einfach geduldig.