Bekanntlich lassen sich Konflikte besser lösen, wenn sie möglichst früh erkannt werden. Sind Mitarbeiterbefragungen und -gespräche geeignete Instrumente zur Früherkennung?

VIELLEICHT SCHAFFEN ES Mitarbeiterbefragungen ja sogar, bestimmte Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Das wäre zwar sehr fein, aber ist das realistisch? Und wie setzt man so eine Befragung konkret um, worauf sollte man dabei achten? Dazu haben wir einige Experten befragt.

Zunächst erklärt Harald Preyer (eucusa), war- um das Instrument der Mitarbeiterbefragung aus seiner Sicht viel für das Konfliktmanage- ment leisten
kann: »Konflikte, die unter der Oberfläche bleiben, wachsen sich zu Geschwü- ren aus, die nur mehr schwer und meist unter Schmerzen wegoperiert werden müssen. Die Thematisierung möglicher Konflikte in einer Mitarbeiterbefragung ist eine gute Krisen-Pro- phylaxe. Wesentlich ist deshalb immer die Ent- wicklung eines spezifischen Fragebogens für die Mitarbeiterbefragung. So kann Konflikt- potenzial entsprechend lokalisiert werden.« Mit einem 0815-Fragebogen wird man also nicht viel im Sinne des Konfliktmanagements erreichen.

MMag. Oliver Haas ist Leiter des Kompetenz- zentrums für Befragungen bei Trigon. Er hebt ebenfalls die Bedeutung spezifischer Fragen hervor: »Gegenüber anderen Instrumenten bietet die Mitarbeiterbefragung den großen Vorteil, in der Fläche wirken zu können. Man erreicht nicht nur einzelne Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen, sondern potenziell die gesamte Belegschaft. Durch eine gezielte Fragenauswahl inklusiveoffenerFragenkönnendabeioffensichtliche oder latente Konfliktthemen aufgedeckt und ins Bewusstsein gebracht werden. Im an die Befragung anschließenden Aufarbeitungsprozess kann dann in die Tiefe gegangen werden und an Lösungsansätzen und konkreten Maßnahmen gearbeitet werden.« Mit der Befragung ist es also nicht getan. Es müssen die Ergebnisse ausgewertet und in den Dienstdesbetrieblichen Konfliktmanagements gestellt werden.

Auch für Harald Psaridis (Speaker, Trainer und Leadership-Experte) steht im Vordergrund, was im Anschluss an die Befragung mit den Ergebnissen passiert: »Eine Mitarbeiterbefragung macht im Rahmen des betrieblichen Konflikt- managements durchaus Sinn, um sich über die Stimmungslage im Unternehmen auf dem Laufenden zu halten. Ich empfehle eine solche Maßnahme allen Führungskräften. Es ist immens wichtig, regelmäßig die Meinung der Menschen einzuholen, die man führt. Diese Befragung – und die unterschiedlichen Aussagen, die ihm dadurch nahegebracht werden – entheben den echten Leader natürlich nicht von der Verantwortung, die finale Entscheidung dann selber zu treffen. Sehr wichtig ist allerdings, die getroffene Entscheidung im Anschluss entspre- chend an die Belegschaften zu kommunizieren. Erst zu fragen, Meinungen einzuholen und dann einsame Entscheidungen ohne die entsprechende Kommunikation darüber zu fällen, wäre kontraproduktiv und könnte seitens der Mitarbeiter langfristig zu Motivationsschwund und sinkender Bereitschaft, an solchen Befragungen teilzunehmen, führen.«

Ilse Adametz-Houston (MDI Trainerin und Coach) nennt Bedingungen und rät zur Vorsicht: »Aus meiner Sicht eignet sich eine Mit- arbeiterbefragung zur Erhebung eines Ist-Zustands, z. B. wie eine aktuelle Konfliktkultur aus Sicht der Mitarbeiter gesehen wird. Dabei ist es wichtig, dass Konfliktkultur nur ein Teil einer Mitarbeiterbefragung sein kann und im Kontext mit mehreren Aspekten wie Führung, Feedback, Gesprächskultur, Sicherheit usw. stehen soll. Weiters sollte bedacht werden:

• Fragen erzeugen Erwartungen und Bedürfnis- se bei den Mitarbeitern, die auch zeitnahe behandelt werden sollen.

• Auf Basis von Anonymität wird Frust und Ärger leichter formuliert und kann nicht schnell und direkt aufgefangen werden.

Wenn z.B. das Thema Konfliktmanagement bewusst im Unternehmen bearbeitet wird oder wurde und es bereits ein gemeinsames Verständnis dazu gibt, dann könnte man daran ansetzen. Grundsätzlich ist das aber mit Vorsicht zu genießen und würde ich es nicht empfehlen.«

Für Oliver Haas ist es durchaus sinnvoll, eine Mitarbeiterbefragung auch für Konfliktmanage- ment einzusetzen: »Wenn die Befragung nicht als (reines) Personalmarketing-Instrument verstanden wird, ist die Auseinandersetzung mit Problemfeldern und Konflikten die logische Konsequenz. Diese Auseinandersetzung ermöglicht Veränderung und eine Weiterentwicklung der Organisation.« Und das ist ja wohl eines der Ziele einer Mitarbeiterbefragung. Oliver Haas betont nochmals, wie wichtig es ist, die Resul- tate genau zu analysieren: »Die Aufarbeitung von Befragungsergebnissen darf nicht mit einer schönen Präsentation vor der Geschäftsführung enden. Wirksam sind Befragungen dann, wenn sie als Einstieg in eine vertiefende Diskussion und Interaktion gesehen werden. Dabei gilt, dass die Ergebnisse auf allen Ebenen der Organisation aufgearbeitet werden müssen. Konflikte innerhalb einzelner Abteilungen oder Teams können vielfach nicht aus aggregierten Gesamtergebnissen und Durchschnittswerten der Gesamtorganisation abgeleitet werden. Aufarbeitungsprozesse auf Basis der entsprechenden Abteilungs- und Teamergebnisse müssen dem- entsprechend innerhalb der jeweiligen Einheiten stattfinden. Bewegung und Auseinander- setzung finden somit optimalerweise in allen ›Winkeln‹ der Organisation statt. Insbesondere bei kritischen Ergebnissen und in Konfliktsituationen kann dabei eine professionelle externe Begleitung hilfreich sein.«

Harald Preyer bringt ein Beispiel aus der Praxis: »Der Vorstand eines Österreichischen Industrieunternehmens mit mehr als 100 Tochterfirmen hatte die Vermutung, dass die Mitarbeiter von neu zugekauften Unternehmen eher aus Unsicherheit gelähmt, denn aus Zuversicht motiviert sind. Die Mitarbeiterbefragung zeigte klar auf, wo diese These richtig und wo sie grundfalsch war. Wertvolle Integrationsarbeit konnte punktgenau geleistet werden.« In diesem Fall konnte also verhindert werden, dass Konflikte überhaupt erst entstehen. Mitarbeiterbefragungen können also durchaus einiges für das Konfliktmanagement leisten – man muss sie nur richtig planen, durchführen und vor allem nachbearbeiten.

Mitarbeitergespräche

Laut Ilse Adametz-Houston kann Konfliktmanagement auch bei Mitarbeitergesprächen nur ein Teilaspekt sein. »Der Fokus beim Mitarbeitergespräch sollte bei Reflexion, persönlichen und strategischen Zielen, Motivation, Performance, Feedback und Weiterentwicklung liegen. Ein Mitarbeitergespräch dient nicht zur Konfliktbewältigung sondern eher zur Vorbeugung. Falls ein Konflikt herrscht, empfehle ich die Konfliktbewältigung vom Mitarbeitergespräch zu trennen. Konfliktfähigkeit kann ein Thema sein, wenn diese Kompetenz gestärkt und weiterentwickelt werden soll. Auch gemeinsames Überprüfen und Reflektieren ist sehr hilfreich.«

Auf jeden Fall eignen sich regelmäßige und professionelle Mitarbeitergespräche zur Benennung und Reflexion von Konflikten und zur Vorbeugung von potentiellen Konflikten. Harald Psaridis: »Regelmäßige Mitarbeitergespräche können auf jeden Fall positiv zur Konfliktvermeidung beitragen. In diesen Gesprächen erfährt die Führungskraft, wie die Menschen, die sie führt, ticken und bekommt interne Infos, wie das im Unternehmen so läuft. Es ist ein sehr guter Weg, das ›Stimmungsbarometer‹ im Unternehmen zu lesen.

 

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