OKR ist – wenn man so möchte – die agile Antwort auf die heutigen Herausforderungen im Bereich Teammanagement und agiler Führung und historisch gesehen eine Weiterentwicklung von MbO (Management by Objectives). OKR Speaker und Trainer Patrick Lobacher zeigt auf, wie man sich dem Thema als Großunternehmen am sinnvollsten einführt und welche Vorteile und Widerstände zu erwarten sind.

Über den Autor

Patrick Lobacher agiert seit mehr als 12 Jahren als Berater, Trainer und Coach im Top-Management in den Bereichen strategische Geschäftsführung, Marketing, Sales, HR und Projekt-Management (klassisch & agil). Er ist Geschäftsführer der +Pluswerk Consulting GmbH und im Vorstand der Pluswerk AG und hat als Autor in den vergangenen Jahren 12 Fachbücher zu Web- und Managementthemen publiziert. Beim MDI Zertifikationslehrgang Agile Führung trainiert er im Modul #2 – Agiles Zielmanagement und modernes Leadership mit Objectives & Key Results.

OKR im Großunternehmen – Wie bzw. wo man startet

Gerade wenn ein größeres Unternehmen (ab 100 Leute aufwärts) ist, wird man es nicht aus dem Stand schaffen, das gesamte Unternehmen auf einen Schlag mit OKR zu verbinden. Vielfach ist es so, dass die alten, teilweise sehr hierarchischen und bürokratischen Strukturen noch da sind, dass die Organisation noch nicht so aufgestellt ist, dass man schnell und einfach ein komplett neues System einführen kann. In so einem Fall ist es wichtig, erst einmal mit einem Pilotprojekt zu starten. Man greift sich zum Beispiel eine Abteilung heraus, die agilem Arbeiten schon recht zugewandt ist und Interesse und Motivation hat, das Experiment OKR zu wagen. Von diesem Piloten aus wird sich das System – wenn man es geschickt anstellt und den entsprechenden Fokus darauf legt – schnell ins gesamte Unternehmen tragen.

Ein wichtiger Aspekt ist hier: OKR hat wie fast alle klassischen Methoden nur einen relativ kleinen Wissensteil. Das heißt das reine Aneignen von Wissen ist weit weniger wichtig als ein bestimmter Mindchange, der stattfinden muss. Man muss sich auf die „neue Welt“ und das neue System einlassen, auf integratives Vorgehen, inkrementelle Ergebnisse, viele Feedback-Schleifen und so weiter. Es ist wichtig, Offenheit zu zeigen und zu sagen „Okay, wir wissen jetzt anfänglich noch nicht genau, was uns erwartet, aber wir probieren es aus. Wir haben diesen Rahmen und wir hinterfragen uns regelmäßig“. Im OKR gibt es dafür konkret die Retrospektive, also eine systemische Sicht und das Review, um Ergebnisse zu evaluieren und zu versuchen, vom aktuellen Stand aus zu adaptieren. Es geht um ein schrittweises Voranschreiten anstatt wie es gerade große internationale Konzerte gerne wollen mit einem riesigen Konzept und Roll-Outplan alles im Voraus zu planen. In einer komplexen Welt geht das nicht mehr, wir können nicht mehr alles planen und wir wissen auch nicht, wie die eigene Organisation auf OKR reagieren wird. Deshalb ist es wichtig, sich dem Ganzen agil zu nähern.

Vom Tagesgeschäft bis zum großen Ganzen: OKR erhöht die Transparenz im Unternehmen.

Einführungsprozess & Vorteile von OKR

Manchmal werde ich gefragt: Wie lange dauert die Einführung denn? Wann ist der Prozess abgeschlossen. Provokativ könnte ich darauf sagen: Dieser Moment trifft hoffentlich nicht ein! Also ein hundertprozentig zufriedenstellender Zustand ist gar nicht das Ziel, denn es geht per se um kontinuierliche Verbesserung und den Drang, sich immer weiter zu lernen.

Etwas pragmatischer formuliert lautet die Antwort: Man hat einen bestimmten organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Anfangsinvest. Bis man danach zu einem Punkt kommt, an dem man beginnt, wirklich von der neuen Methode zu profitieren vergeht sicherlich ein halbes Jahr bis Jahr. Bis dahin erlebt man höchstwahrscheinlich eine kleine Durststrecke, einfach weil es eine große Veränderung ist, die man ins Unternehmen einbringt. In den meisten Fällen entdecken die Unternehmen aber recht schnell die Vorteile von OKR und können sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr vorstellen, wie es ohne hätte funktionieren können.

Bei den Vorteilen geblieben: Der größte Vorteil ist sicherlich die Transparenz, die Unternehmen oft fehlt und die OKR in vielen Bereichen mit sich bringt: Also wer macht was, ganz alltäglich, aber auch im Großen und Ganzen? Ein zweiter Vorteil ist das Alignment zwischen einzelnen Abteilungen, die nicht direkt zusammenarbeiten mit dem Ziel, Doppelarbeiten zu vermeiden und Synergien zu nutzen. Dazu kommt – und das ist quasi das Geheimnis von OKR – der Push von Unten: das agile Zielesystem schafft optimale Voraussetzungen für die intrinsische Motivation der Mitarbeiter. Dadurch, dass sie viel mehr eingebunden werden und viel Raum für ihre Ideen ist, ist auch das Commitment der Mitarbeiter deutlich höher als früher, als wenn Manager einfach Anweisungen geben. Das macht sich auch sehr schnell in der Performance der einzelnen Teams bemerkbar, sodass Teams, die mit OKR arbeiten nach relativ kurzer Zeit eine wesentlich höhere Performance bei gleichbleibenden Arbeitsaufwand haben. Das ist das Spannende daran.

Zusammenfassung der Vorteile von OKR

  • Transparenz: im Alltagsgeschäft aber auch beim Blick auf das große Ganze
  • Alignment zwischen einzelnen Abteilungen: schafft Synergien, vermeidet Doppelarbeiten
  • Push von unten: spricht die intrinsische Motivation der MitarbeiterInnen an, erhöht Commitment
  • höhere Performance bei gleichem Arbeitsaufwand

Potentielle Widerstände bei agilen Methoden wie OKR

Was in der heutigen komplexen Welt sehr spannend ist, ist die Tatsache, dass Führung immer mehr von der Führungskraft weg hin zum Team geht. Agile Führung bedeutet für mich in diesem Zusammenhang vor allem: den Rahmen setzen, damit sich Menschen entfalten können, damit sie maximal intrinsisch motiviert sind, wissen was sie tun sollen und wollen. Führung ist ein soziales Phänomen und es geht immer weiter weg vom Management hin zum Leadership.

Wie oben bereits angerissen – Stichwort Push von unten – bringt das mit sich, dass eine Führungskraft in diesem neuen System nicht mehr DIE eine Hierarchieinstanz ist, die sagt, was zu passieren hat sondern dass es mehr in Richtung Anleitung und Coaching geht. Es gibt natürlich einige Führungskräfte, die den Coaching-Ansatz immer schon in sich hatten und damit vielleicht auch schon so geführt haben wie es im Agilen notwendig ist. Bei bis dato sehr hierarchisch positionierten Führungskräften beobachte ich allerdings oft Widerstand und Ängste. Sehr viele sehen ihre Aufgaben, Positionen und Rollen gefährdet. Weil sie etwas hilflos sind, was sie in der „neuen Welt“ machen sollen und wofür sie gebraucht werden. Weil es ihr Auftrag war zu managen, zu kontrollieren, vorzugeben und das dann wieder einzufordern, immer mit Berufung auf die Hierarchie und sie das Gefühl haben, dass ihnen all das im agilen Setting weg genommen wird. Das heißt es braucht eine gewisse Zeit in der man mit diesen Führungskräften arbeitet und aufzeigt, dass Ihre Leistung mehr denn je gefragt ist, aber eben in einem anderen Rollenverständnis. Agil zu führen ist etwas, das in den meisten Fällen neu erlernt werden muss. Es muss ein Mindchange stattfinden und man muss auch bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten als Führungskraft erlangen. Hier gibt es ein schönes Paradoxon: Wenn man Kontrolle abgibt und viel Freiraum lässt, kann man schneller zum richtigen Ziel kommen, also durch strenges Delegieren – wenn man den Rahmen als Führungskraft gut gestaltet! Und genau das ist ein Lernprozess.

Selbstbild: OKR bei der Pluswerk AG

Wir selbst arbeiten natürlich auch mit dem OKR System. Als Pluswerk sind wir in zwei Einheiten geteilt: die Pluswerk AG, als Digitalagentur. Die hat ehrlicherweise noch ein paar Schwierigkeiten mit dem OKR System, was auch daran liegt, dass die Pluswerk AG aus ursprünglich 7 Agenturen, die in ganz Deutschland verteilt waren und teilweise polnische und rumänische Wurzeln haben gegründet worden ist und sich da kulturelle Unterschiede stark auswirken. Da brauchen wir also noch etwas länger, bis es wirklich klappen kann – das ist aber auch völlig normal. In der Pluswerk Consulting, die wir Anfang Februar diesen Jahres gegründet haben, arbeiten wir seit Beginn an mit OKR und das System ist somit gut eingeführt. Für uns war es natürlich wichtig, nicht nur mit Unternehmen sondern selbst Erfahrungen zu machen und zu erleben, wie wir selbst auf bestimmte Sachverhalte und Dynamiken reagieren.

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Google, Intel und Co. machen’s bereits vor: Kurze Planungszyklen mit maximaler Transparenz und Mitarbeitermotivation durch Mitbestimmung helfen Dir und deinem Team immer genau das zu verfolgen, was Dich aktuell am meisten weiterbringt – fokussiert und gemeinsam.

OKR Master Training // 23.04. – 24.04.2020

 

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